Weltweit werden mehr als 3 Millionen Patient*innen mit einem Dialyseverfahren behandelt. Die beiden zur Verfügung stehenden Dialysemodalitäten sind die Hämodialyse (HD, Blutwäsche) und die Peritonealdialyse (PD, Bauchfelldialyse). Bei der Hämodialyse wird Blut mithilfe einer Blutpumpe zum Dialysefilter zugeführt, wo es in Kontakt mit einer sterilen Lösung (Dialysat) kommt. Giftstoffe bewegen sich aufgrund des Konzentrationsunterschiedes im Filter vom Blut ins Dialysat. Typischerweise wird die Hämodialyse 3mal pro Woche während 3-4 Stunden durchgeführt. Bei der Peritonealdialyse wird Dialysat über einen Peritonealdialysekatheter in die Bauchhöhle gefüllt. Das Bauchfell dient hier als Transportmembran zwischen Blut und Dialysat. Giftstoffe diffundieren so vom Blut ins Dialysat, welches regelmässig abgelassen und neu befüllt wird. Die Peritonealdialyse wird täglich durchgeführt. Zwei mögliche Therapieformen stehen zur Verfügung: zum einen die manuell durchgeführten Beutelwechsel (continuous ambulatory peritoneal dialysis, CAPD) oder eine maschinelle Unterstützung mit einem Gerät (Cycler), welches Dialysat ablässt und wieder neu befüllt (automated peritoneal dialysis, APD). Die APD wird routinemässig nachts durchgeführt.
Obschon die Patientenprognose für beide Verfahren vergleichbar ist, sind weltweit etwa 90 % der dialysepflichtigen Patienten unter Hämodialyse und ca. 10 % führen Peritonealdialyse durch. Die allermeisten Patienten werden global in einem Dialysezentrum 3-mal pro Woche hämodialysiert (in-center Hämodialyse).
Das am häufigsten angewandte Heimdialyseverfahren ist die Peritonealdialyse. Aber auch die Hämodialyse kann zuhause durchgeführt werden (Heim-Hämodialyse).
Der Einsatz von Heimdialyseverfahren ist weltweit extrem unterschiedlich1, 2. Die Peritonealdialyse ist in vielen Ländern günstiger als die Hämodialyse. Vornehmlich aufgrund des finanziellen Vorteiles der PD gibt es Länder, in welchen eine staatlich festgelegte Dialysestrategie besteht. In Hongkong, Taiwan, Vietnam und Thailand besteht zum Beispiel eine «PD first strategy». Das bedeutet, dass in diesen Ländern bei allen Patienten, die neu dialysepflichtig sind, primär die PD eingeleitet wird. In Ländern, in welchen die Distanz zu Dialysezentren sehr gross sein kann (Schweden, Finnland, Norwegen, Australien, Kanada etc.) ist der Anteil an Patient*innen unter PD ebenfalls viel höher als in dichter besiedelten Gebieten3.
Patientenprognose
Es gibt wenige und sehr kleine Studien, welche die Prognose zwischen Heim-HD und in-center HD respektive PD und in-center HD mit der besten zur Verfügung stehenden Studien untersucht haben (randomisierte, kontrollierte Studien). Der Grund dafür ist, dass verständlicherweise kaum Patienten bereit sind den Zufall entscheiden zu lassen, ob sie ein Heimverfahren durchführen oder in-center HD. Deswegen werden nicht-randomisierte Studien beachtet, welche den Nachteil haben, dass die Patientengruppen schwer vergleichbar sind, da tendenziell jüngere und fittere Patienten sich für Heimverfahren entscheiden. Durch statistische Korrektur dieser Fehler (sie werden selection bias genannt) kann trotzdem die Prognose zwischen den Gruppen verglichen werden. Die meisten Studien weisen darauf hin, dass die Überlebenschancen zwischen PD und in-center HD vergleichbar sind. In den ersten Jahren unter PD ist die Prognose etwas besser als bei in-center HD, danach wird eine Angleichung der Prognose beobachtet4,5.
Mehrere auch ältere Beobachtungsstudien weisen darauf hin, dass die klassischen Heim-Hämodialysepatient*innen ein längeres Überleben haben verglichen zur in-center Hämodialyse6. Auch das Patientenüberleben unter den neuen Heim-Hämodialysestrategien mit kurzer täglicher Therapie (5–6-mal wöchentlich, 2-3h) war in einer viel beachteten Studie höher bei Heim-HD Patient*innen verglichen zu den Patient*innen unter klassischer in-center Hämodialyse7.
Lebensqualität
Die Lebensqualität unter einem Heimverfahren ist nicht schlechter als unter in-center HD. Mehrere Studien weisen sogar darauf hin, dass die Lebensqualität unter Heimverfahren grösser ist als bei in-center HD8.
Wahl des Dialyseverfahrens
Es gibt verschiedene patientenunabhängige Faktoren, welche bei der Wahl des Dialyseverfahrens relevant sind. Zu diesen zählen die Vergütung an die Dialysezentren, staatliche Interventionen, Erfahrung der Zentren in Heimdialyse, lokale Traditionen, Distanzen zum Zentrum und viele mehr.
Absolute Kontraindikationen, oder die Unmöglichkeit ein Heimdialyseverfahren durchführen zu können, gibt es nur wenige. Fehlende häusliche Gegebenheiten zählen zum Beispiel dazu (Extremfall Obdachlose), oder ein Bauchfell, welches aufgrund vieler Voroperationen nicht mehr funktionstüchtig ist, und die Unmöglichkeit einen Peritonealdialysekatheter einzulegen. Aber auch psychologische Faktoren spielen eine Rolle; dies ist insbesondere relevant bei schweren psychischen Erkrankungen. Hingegen gibt es viele vermeintliche Gründe, weswegen davon ausgegangen wird, dass ein Heimverfahren nicht möglich sei. Viele dieser Gründe (Barrieren) können aber überwunden werden durch vermehrte Zuwendung wie zum Beispiel Unterstützung zuhause (Assistenz). Besonders älteren Patienten werden Heimverfahren weniger angeboten in der Annahme, dies sei altersbedingt nicht möglich. Bisher gibt es jedoch keine guten Studien, welche belegen, dass sich ältere Patient*innen weniger gut für Heimverfahren eignen. Jedoch ist anzunehmen, dass ein höherer Anteil dieser Patient*innen eine Assistenz für das Heimverfahren benötigt.
Vorteile Heimverfahren
Die Dialyse zuhause kann flexibler gestaltet werden und optimalerweise an den Alltag angepasst werden und nicht umgekehrt. Es besteht ein geringerer Zeitverlust durch weniger häufige Termine im Dialysezentrum. Die häufigeren Behandlungen pro Woche führen ausserdem zu stabileren Blutwerten und geringerer Schwankungen des überschüssigen Volumens. Unter Heimverfahren ist ausserdem ein geringerer Bedarf an Fachkräften notwendig. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass Heimverfahren ökologischer sind. In vielen Regionen der Welt ist vor allem die PD deutlich günstiger als die in-center HD. Vergleichsweise weniger häufig haben sich Heimdialysepatienten mit COVID-19 angesteckt verglichen zu in-center HD-Patient*innen.
Soziales
Gehäuft werden Heimdialyse von folgenden Patientengruppen durchgeführt: Frauen, jüngere Patient*innen, Patient*innen mit geringerer Krankheitslast, frühe Zuweisung zu Nephrolog*innen, höherer Bildungsgrad, geringerer BMI und grössere Distanz zum Dialysezentrum.
Problematisch ist sicherlich eine kurze Vorbereitungsphase auf die Dialyse. In den Monaten vor der Dialyseeinleitung sind Ängste und Unsicherheiten belastend für viele Patient*innen. Die Planung eines Heimverfahrens kann dabei zusätzlich besorgniserregend sein. In einer am Inselspital Bern durchgeführten Befragung haben eine Mehrzahl der in-center HD-Patient*innen berichtet, dass das Kennenlernen eines Patienten unter einem Heimverfahren hilfreich gewesen wäre, um sich ein Heimverfahren vorstellen zu können.
Innovation – oder was gibt es Neues ?
Seit mehr als 10 Jahren sind mobile Heimhämodialysegeräte auf dem Markt. Diese Geräte sind deutlich kleiner als konventionelle Hämodialysegeräte und auch deutlich einfacher in der Bedienung. In der Schweiz ist diese Behandlungsoption seit wenigen Monaten auch möglich.
Im Bereich der Peritonealdialyse gibt es bei der maschinellen Unterstützung mit dem Cycler neue die Möglichkeit, dass die Behandlungsdaten direkt im Zentrum eingesehen werden können. Der Datentransfer zwischen Cycler und Zentrum ist neu auch bidirektional möglich. Somit kann das Dialysezentrum nicht nur jede Behandlung einsehen, sondern auch die Behandlungseinstellung falls notwendig verändern.
Zusammenfassung
Der Einsatz von Heimdialyse ist weltweit gering, obschon die Patientenprognose und die Lebensqualität unter Heimverfahren mindestens genauso gut sind wie bei der in-center Hämodialyse. Eine gute Information ist hilfreich, Patient*Innen optimal vorzubereiten und zu beraten. Veränderungen in der Vergütung könnten helfen, Heimverfahren auch in der Schweiz zu stärken.
PD Dr. med. Fabienne Aregger
Leitende Ärztin, Nephrologie Inselspital Bern
Literatur:
- Perl J, Brown EA, Chan CT, et al. Home dialysis: conclusions from a Kidney Disease: Improving Global Outcomes (KDIGO) Controversies Conference. Kidney Int 2023; 842-858.
- Brown EA, Brivio GB, Van Biesen W. Towards a better uptake of home dialysis in Europe: understanding the present and looking to the future. Clin Kidney J 2024; i3-i12.
- Jain AK, Blake P, Cordy P, et al. Global Trends in Rates of Peritoneal Dialysis 2012; 533-544.
- Yeates K, Zhu N, Vonesh E, et al. Hemodialysis and peritoneal dialysis are associated with similar outcomes for end-stage renal disease treatment in Canada. Nephrol Dial Transplant 2012; 3568-3575
- United States Renal Data System. USRDS 2023 Annual Data Report: Epidemiology of kidney disease in the United States. National Institutes of Health, National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases; Department of Health and Human Services, Bethesda, MD 2023
- Mailloux LU, Bellucci AG, Napolitano B, et al. Survival estimates for 683 patients starting dialysis from 1970 to 1989: identification of risk factors for survival. J Am Soc Nephrol 1994; 127.
- Weinhandl ED, Liu J, Gilbertson DT, et al. Survival in Daily Home Hemodialysis and Matched Thrice-Weekly In-Center Hemodialysis Patients. J Am Soc Nephrol 2012; 895-904.
- Bonenkamp AA, van Eck van der Sluijs A, Hoekstra T, et al. Health-related Quality of Life in Home Dialysis Patients compare to In-center Hemodialysis Patients: A Systematic Review and Meta-analysis. Am J Kidney Dis 2020; 139-154.
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